Vor 45 Jahren: Im FEA-Zug ans Brückenfest vom 27. Mai 1973 - FEA Frauenfeld

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Vor 45 Jahren: Im FEA-Zug ans Brückenfest vom 27. Mai 1973

Ein paar Worte voraus
FEA-Nachrichten gibt es längst nicht mehr. Sie erschienen seit der Klubgründung 1961 als „klubinternes Organ der Frauenfelder Eisenbahn-Amateure FEA" über rund 20 Jahre lang. Was heute auf der Homepage abrufbar ist, kam viermal jährlich zum Preis von Fr. 1.50 in den FEA-Nachrichten. Solche mit Umdrucker hergestellte Kluborgane waren zusammen mit Zeitschriften und Büchern damals eine wichtige Informationsquelle für Bahnfreunde.
Das Chinesenbrüggli nach dem Bau 1928. Fotographie Weber, Sammlung A.Hux. Dieses Foto ist auch im faszinierenden Buch „Die Fotografen Weber in Frauenfeld" von Daniel P. Wiedmer und Angelus Hux publiziert, Herausgeber Genius Media AG
Chinesenbrüggli?
Für Ortsunkundige und Spätergeborene: Das „Chinesenbrüggli", eine elegante aber schmale Überführung für Fussgänger und Velofahrer, stand einst an der SBB-Strecke Frauenfeld - Islikon. Plausibel, ja sogar überliefert ist, dass der Ausdruck «Chinesenbrüggli» vom eleganten Bogenschwung des Brückleins herkam (In den chinesischen Gärten haben kleine Brücken diese gewölbten Formen).
Das Chinesenbrüggli auf einem Foto aus dem Stadtarchiv Frauenfeld
Wann das Chinesenbrüggli gebaut wurde, ist nicht ganz klar. Aufgrund der Nachforschungen von Stadtarchivar Stephan Heuscher ist auf einem Stadtplan von 1918 an der betreffenden Stelle ein Brücklein eingezeichnet, auf einem älteren Plan von 1899 noch nicht. Dies lässt den Schluss zu, dass die erste Bahnüberführung beim Doppelspurausbau der Strecke Winterthur – Frauenfeld 1905 entstand. Die Erbauung der eleganten Betonbrücke anlässlich der Elektrifizierung 1928 ist hingegen so gut wie sicher. Es gibt nämlich gemäss Herrn Heuscher einen kurzen Vertrag vom März 1930, in dem Stadt und SBB den Unterhalt des Chinesenbrüggli regelten.
Der Notsteg, Stadtarchiv Frauenfeld
Weiter erfahren wir von Herrn Heuscher: „Das Chinesenbrüggli aus Beton wurde 1961 abgebrochen, bevor im selben Jahr die Bauarbeiten für die 1963 eingeweihte Zuckerfabrik aufgenommen wurden. Grund war das Anschlussgleis zur Zuckerfabrik. Das Chinesenbrüggli war nur in der Lage, zwei Gleise zu überspannen. Eine dritte Spur für den Fabrikanschluss hatte keinen Platz mehr. Darum wurde der hölzerne Notsteg, der das Brüggli ersetzte, 40 Meter weiter westlich erstellt. Der Notsteg wurde 1973 durch die Häberlinbrücke ersetzt. Der hölzerne Steg hatte nach 10 Jahren ohnehin das Ende seiner Betriebszeit erreicht."
Der Notsteg, links erkennbar das abzweigende Anschlussgleis zur Zuckerfabrik, Stadtarchiv Frauenfeld
Notsteg und Chinesenbrüggli (vor Abbruch und vor Bau des Anschlussgleises zur ZFF), Fotosammlung von Frau Hasenfratz, 1960, zur Verfügung gestellt von A. Hux.
Damit kommen wir zum Thema: Am Wochenende 26./27. Mai 1973 wurde mit einem Quartierfest die neue, offiziell so genannte Häberlinbrücke eingeweiht. Sie ersetzte den Notsteg durch eine moderne Strassenbrücke. Die Organisation des Fests lag beim Quartier- und Verschönerungsverein Kurzdorf und dem Quartierverein Ergaten-Talbach. Der erfreuliche Gewinn von 20‘350 Fr. wurde an wohltätige Institutionen überwiesen.

Ein paar Bemerkungen zum Fest
Samstags  und sonntags fuhr (auf der Strasse) ein WEGA-Bähnli; am Sonntag zusätzlich die FEA-Extrazüge. Dieses Bahnangebot wurde in verschiedenen Sitzungen erarbeitet, auch versicherungstechnisch abgeklärt. In den Protokollen ist ersichtlich, dass anfänglich seitens des FEA-Präsidenten Bruno Flury die Idee bestand, eine ehemalige MThB-Dampflok einzusetzen. Dies wurde aber aus Kostengründen fallen gelassen, zugunsten der Zuckerfabrik-Werklok.

Die Möglichkeit, Extrazüge von Frauenfeld über die Zuckerfabrik nach Islikon zu führen, ergab sich aus einem guten Einvernehmen mit der  Zuckerfabrik und dank dem Umstand, dass nebst der SBB-Doppelspur Islikon - Frauenfeld auch ein Anschlussgleis aus Frauenfeld in die Übergabegruppe der Zuckerfabrik (damals ZFF) führt und von dort weiter nach Islikon. Der nachfolgende Text steht in den FEA-Nachrichten 59/1973 und stammt aus der Feder von Werner Iselin. Er erzählt von einem heute unvorstellbaren  Einsatz in der FEA-Klubgeschichte, aus einer völlig andern Zeit.

FEA-Sonderzug (aus den FEA-Nachrichten)

Am Sonntag, den 27. Mai 1973 wurde die Häberlinbrücke in Frauenfeld festlich eingeweiht. Als unseren Beitrag zum Brückenfest betrieben wir einen Extrazug mit 79 Sitzplätzen in I. und II. Klasse, in folgender Komposition:

Fahrzeug:
- Diesellok ZFF
Nr. 5253
- AB SBB
Nr. 5O-85-38-33OO7-9
- „Gnagiwagen"
Nr. X 3 95505

Das Fahrpersonal bestand aus:
- Lokführer
Herr Eberhard, ZBB
- Pilot
Herr Zbinden, Rgf. SBB, mit Funk
- Zugführer
René Marquart, FEA (Stationsbeamter SBB)
- Kondukteure
Albert Isler, FEA, mit Billettverkauf
Werner Iselin, FEA, mit Billettverkauf
Fritz Burger, FEA
- Speisewagen
Frau Deutsch, SBB
Knud Hviid, FEA

Samstagabend wurde der Unterkunftswagen des Bahnmeisters, der zuvor von Frau Deutsch auf Hochglanz poliert worden war, in eine heimelige „Beiz" umgewandelt. Plakate und Bahnbilder wurden an die Wände appliziert, auf den Tischen standen Fliedersträusse und die Aussenwände wurden beschriftet mit „RESTAURANT", respektive „GNAGIWAGEN".

Alle Fahrzeuge erhielten Flaggenschmuck, und im Innern deuteten Schilder darauf hin, dass der Erlös aus dem Billettverkauf für wohltätige Zwecke bestimmt sei.

Die selbst entworfenen Beillette wurden zum Druck einer offiziellen Bahnbillettdruckerei in Auftrag gegeben. Natürlich kam nur eine Spezialausführung in Frage. Die ganzen Billette für Erwachsene prangten in den Kantonsfarben grün-weiss, die Kinderbillette waren gelb-weiss. Die Rückseite erhielt einen Reklameaufdruck für den FEA. Ob I. oder II. Klasse, die Fahrt kostete gleich viel. Für die Entwertung mussten richtige SBB-Billettzangen her. Mit Hilfe unseres „Zugführers" (René Marquart) fand der Redaktor (Werner Iselin) die Dienststelle heraus, welche solche Dinger liefert und zwar in kürzester Zeit. Schon nach 5 Stunden waren sie in unserem Besitz.
Sonntag früh versammelte sich das FEA-Personal zur Tenükontrolle. Während der Zugführer in leicht abgeändertem SBB-Look erschien, hatten sich zwei Kondukteure ins Lokführer-Überkleid gestürzt und die rote Zugführertasche umgehängt, um Fahrpläne, Graphik, Geld und Billette verstauen zu können. Der dritte Kondukteur war als Ausländer getarnt. DB-Jacke und DB-Mütze brachten einige Passagiere dazu, komische Fragen zu stellen, umso mehr als auch die ZFF-Lok ja ausländisches Fabrikat ist.

Pünktlich erschien die Lok im Bahnhof, nachdem Herr Zbinden die Barrieren an der Rheinstrasse eigenhändig bedient hatte. Auf Gleis 41 (so gross ist unser Bahnhof!) wurde die Komposition zusammengekuppelt und nach erfolgter Bremsprobe waren wir fahrbereit.
Die Gleisanlage Frauenfeld, 20 Jahre nach dem Brückenfest, aber noch kurz vor dem Totalumbau zum „Bahnhof 2000". Ganz links erkennbar „ZFF", das Anschlussgleis in die Übergabegruppe und weiter nach Islikon.
Durch einen Stromausfall im Kries III geriet der offizielle Fahrplan der SBB etwas durcheinander. Aber genau um 9.32 verliess unser Sonderzug 37201 den Bahnhof um die ersten Fahrgäste zum Feldgottesdienst auf den Festplatz zu führen. Auf dieser ersten Fahrt wurden bereits 56 Personen befördert. Beim Festplatz angekommen, wurde die neue Perronanlage samt Freitreppe der Station „Frauenfeld-West" bestaunt. Der Bahnmeister und das Städtische Bauamt hatten dieses Werk kostenlos erstellt. Sogar ein „Stationsgebäude" mit Billettschalter und Abfahrtsanzeiger incl. Uhr und Angabe der Zielstationen war hier installiert. Fast mit gleicher Frequenz wurde die Rückfahrt zum Bahnhof bewältigt. Im Gnagiwagen genoss das FEA-Personal des Sonderzuges ein üppiges Mittagsmahl, bestehend aus Wurst, Brot und Bier. Nachmittags stieg die Zahl der Passagiere erheblich, besonders die Fahrten nach Islikon erfreuten sich grosser Beliebtheit, umso mehr als auch die Lokomotive Gäste aufnahm. Mancher musste sich mit einem Stehplatz begnügen, vor allem in Gnagiwagen. Für gehbehinderte Fahrgäste rangierten wir den Zug, sodass diese Leute auch einmal eine Fahrt auf der Lokomotive erleben konnten.

Auch unser „Hüttenwart" (=der Betreuer der Beiz des Klublokals) und die Chefin des rollenden Restaurants hatten alle Hände voll zu tun. Die am Morgen im Wagen eingelagerte Tranksame war bald verschwunden bei diesem durstigen Wetter. So musste bei jedem Halt für Nachschub gesorgt werden.

Billettkontrolle: Im Gnagiwagen sassen zwei ältere Damen hinter einem Gütterli, genossen die Fahrt und kramten jedes Mal ein neues Billett hervor. Wie sich herausstellte, hatten sie zum Voraus Fahrkarten für sämtliche Kurse gekauft.

Ohne Unterbruch rollte unser Zeug auf der Strecke Frauenfeld - Häberlinbrücke - Islikon und zurück. Der erfreuliche Andrang erforderte die Einlegung von Extrafahrten nach Frauenfeld SBB und nach Islikon. Statt um 17.05 gelangte der letzte Kurs um 18.17 in den Bahnhof.

Viele Speisewagenbenützer verliessen nur ungern ihren Sitzplatz, war doch die Stimmung grossartig, nachdem Knorrli (Spitzname von René Marquart) seine bahnamtlichen Verse in verschiedenen Sprachen (incl. Hochdeutsch und français fédéral) zum Besten gegeben hatte.

Mehr als 600 Passagiere genossen diese gemütlichen Fahrten, wobei die beförderten Kinderwagen, Hunde und anderes Getier nicht mitzählten. Die fahrplanmässigen Züge erreichten eine sehr gute Ausnützung mit 77,2%. Gesamthaft waren die Plätze belegt mit 65,8 %.

In gemeinsamer wurden zuletzt die Wagen gereinigt, wieder in ihren Ursprungszustand versetzt und an die Eigentümer übergeben. Eine kleine Ausnahme bildete der X3 95595. Frau Deutsch hatte solche Freude an ihrem geschmückten Wagen, dass wir die Innendekoration bestehen liessen. Auf ihren Wunsch durften wir auch die Aufschrift „Gnagiwagen" nicht entfernen.

Mit Genugtuung haben wir dieses erfolgreiche Unternehmen abgeschlossen. Wir möchten nicht unterlassen, dem Personal der SBB, insbesondere Frau Deutsch, den Herren Zingg (Bahnhofvorstand Frauenfeld) und Zbinden, aber auch dem Lokführer der ZFF, Herrn Eberhard, für die uneigennützige Arbeit herzlich zu danken. Haben sie doch etliche freue Stunden für unser Zügli geopfert!
Dass die ganze Organisation „dienstkonform" aufgezogen war, ist aus dem Fahrbericht und dem graphischen Fahrplan ersichtlich. Beide Dokumente sind nachstehend abgebildet.

Schreibweise und Ausdrücke weitgehend dem Originalmanuskript übernommen.

Nachfolgend fünf Dias des FEA-Extrazugs von Bruno Flury:
Ganz herzlichen Dank an alle, die mitgeholfen haben, die Geschichte zu rekonstruieren und zu dokumentieren: Angelus Hux, Stadtarchivar Stephan Heuscher, Ueli Ernst, Hannes Steiner und Alfons Brühwiler.
Aktualisiert: 10.08.2024
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